Ethnologie
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Working Papers

Das Institut bringt eine Reihe von Studien und Arbeitspapieren heraus, die online publiziert werden. Bisher erschienen:

Band 28:
Pöhlmann, Tim; Sökefeld, Martin (2021): Ethnographie und Repräsentation: Einführung in ein Verhältnis zwischen Autorität und Krise.

Dieser Text bietet einen Überblick über das Verhältnis zwischen Repräsentation und Ethnographie. Dabei diskutieren wir fachgeschichtliche, epistemologische sowie politische Aspekte, die noch heute ethnologische Debatten beeinflussen. Fachgeschichtlich waren die 1980er Jahre von einer „Krise der Repräsentation“ geprägt, die vor allem im Rahmen der sogenannten Writing-Culture-Debatte eine produktive Dynamik entfaltete. Hier wurden textliche Mittel zur Etablierung ethnographischer Autorität dekonstruiert und auf den inhärent fiktionalen Charakter von Ethnographien verwiesen. Dem entspricht eine postpositivistische Epistemologie, die „Fakten“ oder „Wahrheit“ nicht mehr für gegeben hält und außerhalb eines sozialen Kontexts sucht, sondern die relationale Konstruktion von Wissen postuliert. Dies wiederum hat politische Konsequenzen, da jedem Akt der Repräsentation situationsgebundene Machtbeziehungen vorausgehen und nachfolgen:

Repräsentation zu untersuchen bedeutet deshalb auch strukturelle Ungleichheit, koloniales Erbe oder Androzentrismus ("male bias") zu problematisieren. Zur Veranschaulichung dieser allgemeineren Punkte erörtern wir alternative Ansätze ethnographischer Repräsentation sowie die ethischen und erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten, die sie mit sich bringen.

Band 27:
Brill, Saskia; Fischer, Jeannine-Madeleine; Neumaier, Katharina; Sökefeld, Martin (2019): Ethnologie ... und was dann? Ergebnisse der Verbleibstudie des Münchner Instituts für Ethnologie.

Diese Studie präsentiert die Vorgehensweise und Ergebnisse einer Befragung der AbsolventInnen des Instituts für Ethnologie der LMU München, die 2018 durchgeführt wurde. Sowohl Bachelor- und Master-, als auch Magister-AbsolventInnen wurden befragt. Ein Ergebnis der Studie ist, dass die Bachelor- und Master-AbsolventInnen ihr Studium in der Tendenz besser beurteilen, als die Magister-AbsolventInnen.

Band 26:
Hirner, Kyrill (2019): Fear and Awe: Social Construction of Fear in Detroit.

Detroit, or at least the discourse about Detroit, is guided by two prime narratives: hope for change, and fear of crime. After decades of economic decline and racial segregation, the crime rate is amongst the highest of all US cities. However, fear is not a „rational“ result of an abstract crime rate. And neither is it an „emotional cloud“ hovering about the city, distributing evenly the shadow it casts. It is fragmented and uneven, just like the discourses that shape it. This study follows the different lines guiding discourses of fear both within and about Detroit: The idea of ‚wilderness taking back the city‘ and the implications of ‚wilderness‘ in a US context. The symbolic meaning Detroit has for the production of national identity, and the travesty it is said to have become. The fear of the Other, the urban poor, black, violent, drug addicted, irrational, hobbesian, roaming the street of this City abandoned by everybody (everybody but the Other's bodies, that is). Like the fear they produce, explain, and reproduce in the very process of explaining, these narratives are not shared by all. Rather, which narrative has to be used to interpret a specific incident is usually up to fierce debate. What is feared by some may be reassuring to others – or it is not even realized, since the opposite of being scared is not feeling safe, but not to think about one‘s personal safety at all.

Band 25:

Welte, Sandra (2017): Masked Venice Unveiled. The Venetian Art of Identity Construction. (297 KB)

In Venice, carnival of course meant masks, but masks do not always mean carnival" (2011:49) - Johnson famously stated. In a city suspended between strict rule and libertine pleasure-seeking, economic wealth and vicious decadence, highest artistic expression and vile corruption, the surreal setting of its architectonic uniqueness would give way to a cultural manifestation that should become an imponderable component of everyday life in 'la Serenissima', the most serene of all places in the world. Far from solely constituting a carnevalesque accessory, in Venice, masks represented an essential element of quotidian attire interpreted as a vital feature in order to preserve a degree of anonymity otherwise unthinkable in a place where narrow passageways, open campi and innumerable ponti determine movement, interaction and encounter. Taking these particularities in consideration, the essays aims at providing a deeper insight into the intricate mechanisms of identity construction departing from the unparalleled peculiarities of Venice, while interweaving various approaches to the act of masking and unveiling besides extending the scope of analysis from the individual to the realm of societal structure reversed, thus furthermore furnishing a thorough exegesis of the structural processes at play.


Band 24:

Reinhardt, Thomas (2017): Eine Ethnologin im Panthéon. Das außergewöhnliche Leben der Germaine Tillion (1907-2008); eine biblio-biographische Skizze. (1 MB)

Die biblio-biographische Skizze stellt eine der interessantesten und faszinierendsten Gestalten der französischen Ethnologie des 20. Jahrhunderts einem deutschsprachigen Publikum vor. Germaine Tillion (1907-2008) – seit zwei Jahren als einzige Ethnologin ins Pariser Panthéon aufgenommen – hat in den 1930er Jahren bei Marcel Mauss Ethnologie studiert und fast sechs Jahre Feldforschung im algerischen Aurès betrieben. Kurz nach Ausbruch des 2. Weltkriegs kehrt sie nach Frankreich zurück und wird eines der Gründungsmitglieder der Résistance-Zelle am Musée de l’Homme. 1942 wird sie verhaftet und ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Dort dokumentiert sie Leid und Verbrechen mit ethnographischer Akribie und veröffentlicht nur wenige Monate nach ihrer Befreiung und dem Ende des Krieges die erste (und einzige) „ethnographische“ Innensicht eines KZ. Nach gut anderthalb Jahrzehnten überwiegend politischer Arbeit kehrt sie in den 1960er Jahren in die Ethnologie zurück und versucht, an ihre Forschung aus den 30er Jahren wieder anzuknüpfen. Am Ende dieser Bemühungen steht der Entwurf einer von endogamen Praktiken bestimmten zirkum-mediterranen Kultur, der angesichts des häufig behaupteten „Clashs“ von abendländischer und islamischer Kultur von erstaunlicher Aktualität ist und eine bedenkenswerte Alternative zu den essentialisierenden Positionen weiter Teile des öffentlichen Diskurses bereitstellt. Mit dem Hauptwerk dieser neuen ethnographischen Phase begibt sich Tillion jedoch in direkten Konflikt zum Strukturalismus Claude Lévi-Strauss' und seinen Thesen aus den Elementaren Strukturen der Verwandtschaft. Die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind dafür in Frankreich kein guter Zeitpunkt. Das Werk wird von der Fachöffentlichkeit weitgehend ignoriert. Ebenso wie spätere Arbeiten Tillions, die zwar einer breiten Öffentlichkeit eine wichtige ethnologische Stimme war, in ihrer eigenen Disziplin jedoch praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurde. Dessen ungeachtet publiziert Tillion auch im hohen Alter noch mehrere Monographien und nimmt darin eine ganze Reihe von Debatten vorweg, die die angelsächsische und deutschsprachige Ethnologie um die Wende zum 21. Jahrhundert beschäftigen werden. Der Essay spürt der Entwicklung von Tillions Schreiben im Kontext ihres Biographie nach und diskutiert mögliche Gründe für die weitverbreitete Unkenntnis ihres Werkes durch weite Teile unserer Disziplin.


Band 23:

Risiko in Banken. Ethnologische Betrachtungen der Finanzwelt. (1 MB)

Ab 2007 ging von den USA eine Bankenkrise aus, die globale Auswirkungen hatte, z.B. den finanziellen (Beinahe-)Zusammenbruch ganzer Staaten wie Griechenland. Die dadurch hervorgerufene Arbeitslosigkeit und Armut führt dazu, dass viele Menschen die Konsequenzen abstrakter Vorgänge der Finanzwelt in ihrem Alltag noch immer sehr konkret spüren. Nicht einmal zehn Jahre nach der Krise sind die Gewinne der Banken größer als jemals zuvor, und sowohl die Verantwortlichen in Politik als auch Wirtschaft versichern, dass verbesserte Verfahren zum Management von Risiken das Entstehen neuer, vergleichbarer Krisen unmöglich gemacht machen. Aber wie konnte diese Krise überhaupt entstehen, wenn doch BankmanagerInnen schon immer das Beherrschen von Risiken als ihre Kernkompetenz angeben?
Diese Studie ist das Ergebnis langjähriger teilnehmender Beobachtung in Banken und hat das Ziel, die komplexen Zusammenhänge, die sich hinter dem Begriff Risiko in Banken verbergen, mit ethnologischem Blick zu dekonstruieren. Ausgehend von der Betrachtung der diskursiven Konstruktion des Risikobegriffs geht es um die Beobachtung, wie die in Banken arbeitenden Menschen in ihrem Berufsalltag mit Risiko umgehen. Dabei zeigt sich, dass die mathematischen Formeln des Risikomanagements oft nicht die Beschreibung und Analyse der Finanzmärkte erlauben, denn sie sind rein selbstreferentiell innerhalb einer sozial konstruierten Hyperrealität, so wie sie Baudrillard darstellte, konstruiert. Die soziale Konstruktionen des Risikomanagements erscheinen oft ähnlich zu "magischen" Zukunftstechniken, die die Ethnologie aus anderen Zusammenhängen schon lange kennt, und welche helfen sollen, die Ungewissheit zukünftiger Ereignisse beherrschbar zu machen.


Band 22:

Severin Penger: Tätowierte Tropen: Gestochene Geschichten aus Havanna. (2,8 MB)

Denkt man an Kuba, so zählen Tätowierungen wahrscheinlich nicht zur allerersten Assoziation, sondern eher die typischen Klischees von Revolution, Zigarren oder Palmen. Tätowierte stellen einen blinden Fleck in der Wahrnehmung Vieler dar, obwohl die permanente Markierung auf der Haut, die im tropischen Klima gerne zur Schau gestellt wird, meist das Gegenteil provozieren soll. Diese Arbeit versucht daher Entwicklungen und Zusammenhänge einer dort stark verbreiteten, aber semilegalen, körperlichen Praktik zu beleuchten. Das Tätowieren als kulturelles Phänomen wird dabei einerseits im Kontext größerer gesellschaftlicher Machtgefüge betrachtet und andererseits anhand von spannenden Geschichten einzelner habaneros und habaneras veranschaulicht.
Die Forschung befasst sich mit den Vorstellungen von Ästhetik, Gesellschaft und Werten, die die Bewohner_innen Havannas durch ihre Tätowierungen kommunizieren. Folgt man dabei dem Rhythmus der surrenden Nadeln, welche die Tinte in die Haut stechen, entdeckt man geheime, provisorische Studios im Plattenbau ebenso wie alte, religiöse Tätowiermeister oder angesagte Projekte rund um die Körperkunst im Herzen der Altstadt. Vor allem aber erzählen die Tätowierungen in Verbindung mit ihren Träger_innen eigene Geschichten von Schmerz, Erinnerung, Freude oder Begehren und zeichnen damit ein buntes, vielschichtiges Bild vom Leben in Havanna. Eine Stadt, die sich, wie die Tätowierten und deren Motivation, eindeutigen Zuschreibungen entzieht. Dabei eröffnen die Hautbilder neue, vergängliche Räume für Sehnsüchte, Utopien oder Alltägliches, das ebenso deprimierend wie schön sein kann, sich wiederholt und doch verändert.


Band 21:

Judd Kinzley and Agnieszka Joniak-Lüthi: Territory, Border, Infrastructure: Imagining and Crafting National Borderlands in Twentieth Century China (487 KB)

This paper analyzes the role that infrastructures have played in the discourses and practices of sovereignty and territory in China's far western province of Xinjiang from the late 19th century into the mid-20th. The paper reveals the gap between the Qing and Republican reformers' plans for a state-encompassing transport system and, the fragmented piecemeal character of the actual network. The archival materials analyzed here suggest that the central government's involvement in funding and designing infrastructures in Xinjiang was limited. One of the aims of the present paper is thus to identify the territorializing agents in this border region. Though both Qing and Republican reformers dreamt of encompassing infrastructures, the hard financial reality of twentieth century China set clear limits to these dreams. As a result, we can observe an ongoing process of negotiation between the dreams of national integration, highly limited central funding and the provincial and local governments' attempts to patch the financial and technological gaps with resources that were available. This led to the opening of the province to Russian, and later the Soviet Union. The material analyzed here foregrounds this somewhat paradoxical role that foreign-built infrastructures in Xinjiang played in the processes of Chinese state territorialization in the twentieth century.


Band 20:

Martin Sökefeld: Crossroads Studies and the State: Anthropological Perspectives.(4 MB)

Following the critique of Area Studies and of methodological nationalism, it is often argued that “the state” should not be taken as a unit of study. Departing from discussions within the research network Crossroads Asia that focused not on social and cultural processes contained within certain spatial boundaries but rather on processes that cut across borders, this working paper argues that “the state” should not simply be regarded as a spatial container and that it has not become obsolete for analysis. In particular, anthropological conceptualizations of the state have not only pointed to links and processes that reach across state borders but, following Foucault, also to the dissolution of the boundary between state and society. Suggesting a figurative approach, employing Philip Abram’s contrast of “state system” and “state idea”, and drawing on ethnographic data from Gilgit-Baltistan (northern Pakistan) the paper argues that conceptualizations of the state have to be attentive to local, emic ideas and distinctions like the one between state and government. While the state idea often emphasizes borders, governmental politics often weakens or disregards them. It is concluded that analysis should not reduce the state to a “container” but that we have to come to terms with the actual, empirical manifestations of both state idea and state system in political discourse and practice.



Band 19:

Volker Heeschen in Zusammenarbeit mit Jakob Bolmerin, Eneneas Malyo, Laik Malyo, Enus Nabyal und Filipus Nabyal: Die Eipo in Papua. Weltbilder, Ethnographie und Erzählungen (4,5 MB)

Das Projekt „Mensch, Kultur und Umwelt im zentralen Bergland von West-Neuguinea“ sollte die womöglich letzten verbliebenen noch nicht von Wissenschaftlern kontaktierten Gruppen besuchen und deren Kultur dokumentieren. Ziel der Forscher wurden die Eipo, eine Ethnie der Mek-Leute. Im Sinne der ursprünglichen Ziele des Programmes dient diese Arbeit der Dokumentation, als Material, das Vergleiche ermöglicht und für dessen Präsentation Interpretation erforderlich ist. Sie schließt sich an die erste große Textsammlung an, die Mythen, Erzählungen und Lieder brachte (V. Heeschen, Ninye bún, Berlin 1990), und sie wird ergänzt durch biographische Erzählungen und durch systematische Sammlungen von Märchen und Ursprungserzählungen. Die ethnographische Einleitung skizziert eine Geschichte der Erforschung der Eipo von 1974 bis 2014, und sie zeichnet die Weltbilder der Eipo, indem vor allem folgende Themen entfaltet werden: die Raum- und Zeitvorstellungen, die Verpflichtungen des Individuums in der Gesellschaft, das religiöse Modell vom bloßen Erscheinen der Dinge und deren Pflege und Transformation in den Riten sowie schließlich die Versuche, Befreiungen von Begrenzungen und Gegenwelten im simulativen Modus der Diskurse und kommunikativen Gattungen zu entwerfen und zu erproben. – Diese Arbeit wird ergänzt werden durch eine ähnlich aufgebaute über die Yalenang im Westen des Mek-Gebietes. Einleitung, Übersetzungen aus dem Eipo ins Deutsche, Kommentare und Interpretationen stammen vom Erstautor, die originalen Texte und Kommentare auf Eipo von den Mitarbeitern, die Tonaufnahmen sind unter
Heeschen, Volker, Yakob Bolmerin, Eneneas Mayo, Laik Malyo, Enus Nabyal, Filipus Nabyal, Sonja Riesberg und Nikolaus P. Himmelmann. 1974-2015. A Documentation of Eipo, DoBes Archiv MPI Nijmegen, http://hdl.handle. net/1839/00-0000-0000-0017-EA31-7@view, also auch für die Eipo erreichbar.

 


Band 18:

David MacDougall: Social Aesthetics and Embodied Cinema

During anthropological fieldwork at the Doon School in northern India, my research interests shifted from studying diversity within the school to what I termed its social aesthetics—that is, the distinctive configuration of sensory, social, and material elements that produce a particular experiential environment. Social aesthetics, I came to think, might have as profound an influence on community life as such forces as ideology, economics, and politics. The challenge of how to film this at the school led to several strategies, including focusing on specific themes and physical objects and on the experiences of new students. In exploring the latter, I took advantage of film's capacity to evoke in the viewer a range of sensations beyond sight and sound. This raises the question of whether film can also evoke a film subject's sense of his or her own body—what Charles Sherrington called proprioception. My own experiences of film-viewing, supported by recent discoveries in neuroscience, suggest that it can, both through the film viewer's vicarious identification with those filmed and through the camera's close-range vision within what Aloïs Riegl called "tactile space".


Band 17:

Barbara Heuermann: Der schizophrene Schiffsschnabel: Biographie eines kolonialen Objektes und Diskurs um seine Rückforderung im postkolonialen München

In der deutschen Kolonialvergangenheit – oft marginalisiert und im Vergleich zur nationalsozialistischen Vergangenheit noch wenig wahrgenommen – füllten sich die Völkerkundemuseen des Landes. Eine holzgeschnitzte, polychrome Bugspitze, der „tangue“, gelangte bei einer Strafexpedition aus dem Küstengebiet der Duala/Kamerun durch den späteren Direktor der Ethnographischen Sammlung Max Buchner nach München. Ein Enkel des ehemaligen Besitzers fordert das Objekt zurück. Barbara Heuermann folgt im ersten Teil der Arbeit der Biographie des Objektes und seinen Bedeutungszuschreibungen in den verschiedenen historischen, politischen und sozialen Kontexten von der Mitte des 19. Jhdt. bis heute. Der zweite Teil untersucht die Argumentation des Enkels Kum’a Ndumbe III. und seine Strategien innerhalb des Diskurses um die Rückgabe. Dabei erweist sich, dass ethnographische Daten für seine Beweisführung der Rechtmäßigkeit des Anspruchs sowohl verwendet, als auch verschwiegen, umgedeutet oder neu erfunden werden. Das Beispiel des „tangue“ zeigt, dass den Rückforderungen aus ehemaligen deutschen Kolonialgebieten nicht vorschnell und ohne eingehende Provenienzforschung nachgegeben werden sollte, denn auch Rückforderungen können ambivalenten Wünschen und Absichten unterliegen, persönliche Ambitionen einzelner Akteure eingeschlossen.


Band 16:

Saskia Brill: Emissionshandel aus ethnologischer Perspektive. Treibhausgase als soziale Mittler in globalen Netzen.

 CO2 ist nicht erst mit der Einführung des Emissionsrechtehandels zu einem internationalen Politikum geworden. Seit die Auswirkungen einer zu hohen CO2-Konzentration in der Atmosphäre mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht wurden, rückte das Gas in das Zentrum gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interesses. CO2 ist nicht nur anerkannter Auslöser für Naturkatastrophen, sondern seit einigen Jahren auch ein Gut, das auf eigens zu seiner Reduktion geschaffenen Märkten gehandelt wird. Diese Arbeit zeigt, wie sich CO2 von einem Gemeingut zu einer Ware gewandelt hat und welches Verständnis des Menschen von der ihn umgebenen Umwelt dieser Veränderung zugrunde liegt. Die sich daraus ergebenen Verbindungen spielen bei dieser Betrachtung eine zentrale Rolle. Saskia Brill geht somit der Frage nach, wie Kohlenstoffdioxid als sozialer Mittler in einem globalen Handelsnetz agiert. Mit Latours ANT wird das Gas zu einem Akteur, der menschliches Handeln bedingt und darüber hinaus eine Reflexion dessen, was als „sozial“ bezeichnet wird, fordert. Zudem wird diskutiert, wie insbesondere die Ethnologie einen Beitrag zum Verständnis der vielfältigen Handelsbeziehungen leisten kann, die sich durch veränderte Perzeptionen von CO2 ergeben haben.


Band 15:

Arne Harms: Off the Grid. Environmental Degradation and Citizenship at the Margins

In this paper, Arne Harms look at political repercussions of environmental degradation at the margins. He addresses these by reflecting on the state-population interface and the latter’s reworking through changes of the material environment and argues that state relations are shaped by a grid of property relations, bureaucratic nodes and material things that comes to be mapped onto a given terrestrial space. It allows for legibility of terrain and its improvement by way of territorialized governance. At the same time, the grid and its nodes may serve as access points to tap into state interventions and to claim citizenship by marginalized populations. Environmental degradations, Harms argues, threaten the grid by displacing bureaucracies, unsettling localized relations or by swallowing seemingly trivial materialities that allow for claims to be made. They may result in dismantling already fraught political relations and threatened claims to citizenship. To corroborate these claims, he offers ethnographic snippets from his doctoral research on some of India’s most vulnerable coasts. In the third part of this paper, Harms outlines new research questions emerging from this predicament. He argues that while environmental degradations may translate into devastated spaces, displaced bureaucracies and unsettled populations, it necessarily involves the re-constitution and re-enactment of political relations by marginalized populations. Metaphorically, he frames this as a re-entering of the grid by populations having fallen off the grid.


Band 14:

Nikolaus Heinzer: Jagd in einem Bündner Bergdorf. Von Menschen, Nicht-Menschen und Naturen

Die vorliegende Ethnographie der Hochjagd in einem Bündner Bergdorf baut auf einer zweimonatigen Feldforschung im Spätsommer 2013 auf. In der Arbeit wird versucht, sich einem auf den ersten Blick vertrauten empirischen Phänomen anhand einer relationalen, anti-essenzialistischen Herangehensweise anzunähern, um es so in seiner ganzen Komplexität zu verstehen. Diesem Ansatz zufolge ist Jagd nicht, sondern sie wird. Durch die Identifikation und Analyse mehrerer Naturen, welche laufend performiert, aktualisiert, verändert und von den Akteuren mit- und gegeneinander ins Spiel gebracht werden, wird der prozesshafte und dynamische Charakter sowie die Vielschichtigkeit dieses sozialen Ereignisses hervorgehoben. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Betrachtung der interspezifischen Beziehungen menschlicher und nicht-menschlicher Akteure und deren Einfluss auf die multispefizische Landschaft, als welche die Jagd durch solch eine Perspektive gesehen werden kann. Gerade in der spezifischen Beschaffenheit der interspezifischen Beziehungen, welche von einer durchlässigen Grenze zwischen Menschen und Nicht-Menschen geprägt ist, liegt, so die These dieser Arbeit, die ‚Natur der Jagd‘, also die anti-essenzialistische Essenz des untersuchten Phänomens.


Band 13:

Hanna Irene Heimkes: High Voltage Women. Erfolgsfaktoren und Strategien von Frauen in technischen Berufen am Beispiel der Halbleiterindustrie in Malaysia.


Wenn Frauen beruflich „ihren Mann“ stehen und sich gleichzeitig in der privaten Sphäre ihrer Familie widmen, spricht man von der doppelten Vergesellschaftung von Frauen (Regina Becker-Schmidt). Dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf die deutsche Gesellschaft. Auch in Malaysia sind Frauen der doppelten Vergesellschaftung ausgesetzt. Gleichzeitig wird sie von ihnen reproduziert. Viele Frauen bringen dabei ihre Zeit und Energie in beide Lebensbereiche ein. Dieses Einbringen wird unterschiedlich erfahren und interpretiert: Es kann zur Zerreißprobe werden, aber auch Anerkennung generieren.
Dieser Arbeit liegt eine dreimonatige Feldforschung in der Elektro- und Halbleiterindustrie in Malaysia zugrunde. Die Frauen, die dort leben und arbeiten, befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie. Hanna Irene Heimkes nennt sie die „High Voltage Women“. Der Name entspricht nicht nur dem Arbeitsumfeld der Frauen, sondern auch ihren Lebensentwürfen und Biografien.
Die High Voltage Women teilen das Ideal der doppelt erfolgreichen Frau. Sie wollen in beiden Lebensbereichen möglichst erfolgreich sein. Es stellt sich die Frage, wieso manche Frauen in ihrem Bestreben nach doppeltem Erfolg weiter kommen als andere. Zur Beantwortung dieser komplexen Frage dient Bourdieus Theorie zur sozialen Ungleichheit. Sein Habituskonzept, die Differenzierung der Kapitalarten und die Theorie des Feldes ermöglicht eine umfassende Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit des Feldes der Elektro- und Halbleiterindustrie in Malaysia wie auch mit den Positionen der Frauen darin. Es kann erklären, warum manche Frauen in ihrem Bestreben scheitern und andere ihrem Ideal der doppelt erfolgreichen Frau näher kommen.

Band 12:

Clarissa Leopold: Visuelle Repräsentation von Menschenrechten. Dokumentarfilm und Aktivismus in Pakistan.

Unter dem Label human rights documentary entstand in den letzten Jahren weltweit ein neues Genre des politischen Films. Hierbei wird die moralische Narrative um Menschenrechte mit der medialen Darstellung durch den Dokumentarfilm vereint. Die Repräsentation von Menschenrechtsthematiken durch Filme ist auch in Pakistan ein wichtiger Bestandteil von zivilgesellschaftlichen Kampagnen und sozialem und politischem Aktivismus geworden.
Die vorliegende Arbeit beruht auf empirischen Daten, die von Feldforschungsaufenthalten mit verschiedenen FilmemacherInnen in den Städten Lahore, Islamabad und Karachi stammen. Der Untersuchungsbereich ist ein multiples Feld lokaler, sowie transnationaler Zusammenhänge und Diskurse. Die Ausformung einer spezifischen visuellen Kultur spielt dabei ebenso eine Rolle wie der Bereich der Menschenrechte, zivilgesellschaftliche Strukturen, die politische Lage, sowie die Situation der Medien, insbesondere des Internets in Pakistan.
Clarissa Leopold geht der Frage nach, wie AktivistInnen das Medium Film als Werkzeug benutzen, um Menschenrechtsverletzungen sichtbar zu machen und an die Öffentlichkeit zu bringen. Hierfür folgt sie der Arbeitswelt verschiedener FilmemacherInnen und stellt beispielhaft einzelne Filmprojekte vor, die einen Einblick über visuelle Strategien im Bereich des Menschenrechtsaktivismus in Pakistan geben. Unterschiedliche Fallbeispiele verdeutlichen, welchen Schwierigkeiten AktivistInnen in Pakistan ausgesetzt sind. Sie zeigen aber auch, wie Filme zu einem wirksamen Mittel sozialer und politischer Intervention werden können.

Band 11:

Alessandro Rippa: From Uyghurs to Kashgaris (and Back?). Migration and Cross-Border Interactions between Xinjiang and Pakistan

China and Pakistan share a common border, formally established in 1963, and a close friendship which, to a certain extent, is a direct consequence of that agreement. Somewhat surprisingly the two countries managed to maintain - and even improve - their friendly ties in spite of several events which might have undermined the basis of their friendship. Particularly, since September 11, 2001, China has condemned various incidents in its Muslim province of Xinjiang as connected to the global jihad, often holding Pakistan-based Uyghur militants responsible and accusing Islamabad of not doing enough to prevent violence from spreading into Chinese territory. Within a scenario of growing insecurity for the whole region, in this paper I show how China’s influence in Pakistan goes well beyond the mere government-to-government level. Particularly, I address the hitherto unstudied case of the Uyghur community of Pakistan, the Kashgaris, a group of migrants who left Xinjiang over the course of the last century. This paper, based on four months of fieldwork in Pakistan, aims principally at offering an overview of the history and current situation of the Uyghur community of Pakistan. It thus first examines the migration of the Uyghur families to Pakistan according to several interviews with elder members of the community. Secondly, it addresses some recent developments within the community, and focuses particularly on the influence China is exercising over it since the creation of the Overseas Chinese Association in 2003. Eventually, it suggests that since the opening of the Karakoram Highway in 1982 a variety of factors - among which figures primarily this recent Chinese interest - have caused an important political divide within the community, and brought to a re-definition of the Kashgaris’ identity vis-à-vis both Xinjiang and Pakistan.

Band 10:

Matthias Schmidt: Menschenrechte und Migration. Das Beispiel Marokko.

Der Begriff „Menschenrechte“ ist in der Migrationspolitik inzwischen nicht mehr zu überhören. Dabei ist es unmöglich, ihn auf einzelne politische Strategien und Praktiken zu reduzieren oder ihn nur bestimmten politischen Akteuren zuzuordnen. Hinsichtlich der Humanitarisierung der europäischen Außengrenzen (Walters) bleibt es in der Literatur umstritten, ob die Menschenrechte als subversive Kraft gegen Unterdrückung und Diskriminierung oder als bloßes Werkzeug zur Stabilisierung und Reproduktion der Machtverhältnisse im europäischen Grenzregime verstanden werden sollen.
Matthias Schmidt untersucht in seiner Studie zu Menschenrechten in der Migrationspolitik Marokkos, wie sich nicht-staatliche Akteure den Begriff aneignen, wie die Menschenrechte dadurch ihre vielfältige Bedeutung gewinnen und unterschiedliche gesellschaftliche Folgen hervorrufen. Er zeigt zum einen, wie mit der Sprache der Menschenrechte politische Entscheidungsprozesse verdeckt werden können und so die Lebenssituation von MigrantInnen als selbstevident und alternativlos repräsentiert wird. Zum anderen verdeutlicht er, wie der Menschenrechtsdiskurs von politischen Organisationen auch als Mittel gesellschaftlicher Veränderungen eingesetzt wird. Zudem macht er deutlich, dass nicht-staatliche Akteure nicht nur Rechte einfordern oder deren mangelnde Umsetzung kritisieren können, sondern auch selbst an der Schaffung, Verbreitung und Setzung von Rechten (Benda-Beckmann) beteiligt sind.

Band 9:

Julia Baumann: Israel - Kultur(en) der Migration. Sudanesische Flüchtlinge in und um Tel Aviv

Flüchtlingsbewegungen aus häufig kriegszerstörten Ländern in die sogenannte „westliche Welt“ prägen gerade in letzter Zeit die öffentlichen Berichterstattungen. Der Umgang mit Flüchtlingen fällt Politik und Gesellschaft in den Ankunftsländern meist schwer, da sie bestehende Ordnungssysteme und nationale Identitäten zu bedrohen scheinen. Seit dem Jahr 2008 ist auch Israel Ziel vieler Flüchtlinge. Die Ankunft von über 60.000 afrikanischer Einwanderer und Einwanderinnen bis 2014, vor allem aus Eritrea und dem Sudan, löste in dem kleinen und von Konflikten geprägten jüdischen Staat eine innenpolitische Krise aus. Die starke Abgrenzung der israelischen Politik und Bevölkerung von den nichtjüdischen Neuankömmlingen fand ihren Höhepunkt im „Eindringlingsgesetz“, das alle Flüchtlinge für illegal erklärte. Doch auch die Asylbewerber und Asylbewerberinnen haben auf der Suche nach ihrer Identität in der Fremde mit dem Neuerlebten zu kämpfen. Ihr Umgang mit den häufig traumatischen Erlebnissen in der Vergangenheit und dem oft als feindlich empfundenen, neuen Umfeld prägte die neu entstandenen „Kultur(en) der Migration“. Julia Baumann liefert in ihrer empirischen Arbeit einen umfassenden Überblick über die Beweggründe der Flucht aus dem Sudan und die israelische Asylgesetzgebung. Den Kern der Studie bilden die Ergebnisse der Feldforschung über sudanesische Flüchtlingsgemeinschaften im Raum Tel Aviv. Die „Flüchtlingsgeschichten“ beleuchten exemplarisch die Lebensumstände und den individuellen Umgang sudanesischer Flüchtlinge mit ihrer Situation im Exil.

Band 8:

Merlin Austen: Dritte Räume als Gesellschaftsmodell. Eine epistemologische Untersuchung des Thirdspace.

In zahlreichen geistes- und kulturwissenschaftlichen Kontexten ist seit einigen Jahren die Rede von einem „Dritten“. Dieses kann räumlich gedacht werden als Third Space (Soja) oder als universeller Zwischenraum der kulturellen, politischen und symbolischen Vermittlung und Aushandlung. Es begegnet uns in Form von Netzwerken von Hybriden (Latour), als Rhizom (Deleuze & Guattari) oder als trialektische Kombination von „espace perçu, espace conçu und espace vécu“ (Lefebvre). Es tritt auf als philosophisches Konzept, als erkenntnistheoretisches Prinzip und als Begründung politischen Handelns.

Merlin Austen führt in seinem Text die unterschiedlichen Strömungen des hybriden, dritten und netzwerkartigen Denkens in der Figur des Thirdspace zusammen. Er verwebt dabei ethnologische, philosophische und politische Ansätze zu einer Epistemologie des Thirdspace, die sich stark von der dichotomen Epistemologie der Moderne unterscheidet. Die Arbeit versucht in der Diskussion um Moderne, Postmoderne, Anti-Moderne und „Wir sind nie modern gewesen“ (Latour 2008) einen Weg aus den häufig beklagten Sackgassen poststrukturalistischer Selbstbespiegelungen zu weisen und zeigt auf, dass der Mensch als Teil eines vielfältig vernetzten Kollektivs immer über konkrete Handlungsoptionen für einen theoretischen und praktischen Weltentwurf verfügt.

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Band 7:

Martin Saxer: Die Peripherie der Ethnologie. Austausch und Rückzug am Rande des Nationalstaats.

Die Peripherie der Ethnologie. Austausch und Rückzug am Rande des Nationalstaats.
Die Peripherie spielt in der Geschichte ethnologischen Denkens eine zentrale, aber auch ambivalente Rolle. In den letzten Jahrzehnten haben Subdisziplinen wie Stadtethnologie oder STS, sowie thematisch fokussierte Studien zu Migration, Konflikt, Entwicklung, etc. der klassischen ethnographischen Forschung den Rang abgelaufen. Das Tal am Ende der Welt ist in der Disziplin nur noch am marginal relevant.
Ausgehend von meinem Forschungsprojekt "Neighbouring China" (www.neighbouringchina.net), das den Einfluss China's auf seine unmittelbaren Nachbarn zum Thema hat, rückt dieses Working Paper die Peripherie zurück ins Zentrum ethnologischer Reflexion. Um die dynamischen, globalen Prozesse von Austausch und Rückzug am Rande des Nationalstaats neu zu beleuchten, werden drei Ideen zur Diskussion gestellt, die in den letzten beiden Jahren aus meiner Forschung im Himalaya und Pamir hervorgegangen sind: das Kosmopolitische am Rande, Pathways und das Schattenleben von Entwicklung.nach oben

 Band 6:

Verena Schneeweiß: Perspektivenwechsel in der Bildungsethnologie. Ansätze und Ziele globalpolitischer Bildungsarbeit.

Die vom ethnologischen Bildungsbegriff und vom pragmatischen Relativismus geprägte Bildungsethnologie versteht Bildung sowohl als Vermittlung von Fähigkeiten und Wissen als auch von Einstellungen. Angewandte ethnologische Bildungsarbeit möchte sich daher mit kultureller Vielfalt und Interkulturalität auseinandersetzen sowie verschiedene Perspektiven vermitteln. Das Instrument des Perspektivenwechsels ist dabei von zentraler Bedeutung, um einen Blick auf ‚das Andere’ zu gewinnen, Selbstreflexion zu fördern und Komplexität zu erkennen. Perspektivenwechsel dient nicht nur der Horizonterweiterung, sondern auch der Befähigung, komplexe globale Strukturen besser zu verstehen, eigene Standpunkte zu reflektieren und Handlungsoptionen auszuloten. Praxisorientierte Bildungsarbeit ermöglicht außerdem, gesellschaftliche Diskurse mitzugestalten und interdisziplinäre Brücken zu schlagen.

Die Arbeit von Verena Schneeweiß zeigt Zielsetzung und Didaktik ethnologischer Bildungskonzepte auf und diskutiert, wie Bildungsarbeit und Globalisierung miteinander in Verbindung gebracht werden. Dabei werden klassisch ethnologische Themen wie „Othering“ oder Perspektivenwechsel aufgegriffen und mit dem Feld der globalpolitisch-interkulturellen Pädagogik verknüpft. Gleichzeitig ist die Arbeit auch ein Plädoyer für eine interdisziplinär ausgerichtete Ethnologie, die eine gesellschaftskritische Funktion wahrnimmt.nach oben

 Band 5:

Jacqueline Wilk: Selbstbestimmung und kollektive Zwänge. Geschichten aus Pakistan.

Die (Groß)Familie und ihre Normen bestimmen weitgehend die soziale Position und den Lebensweg eines Individuums in Pakistan. Ein Leben außerhalb der starken Familienbande ist für die meisten Pakistaner unmöglich und unvorstellbar. Dennoch gibt es auch in Pakistan Menschen, die versuchen, ein stärker „individuell“ orientiertes Leben zu führen, die nicht bereit sind, sich ganz und gar dem Willen und den Plänen etwa der Eltern unterzuordnen, sondern versuchen, sich Freiräume zu verschaffen, in denen sie nach ihren eigenen Vorstellungen agieren können – oft entgegen den Normen der Eltern. Die Arbeit von Jacqueline Wilk geht der Frage nach, mit welchen Strategien solche Menschen versuchen, Freiräume zu gewinnen, welche Konflikte mit der Familie dabei auftreten, und wie sie damit umgehen. Sie folgt dabei vier Personen aus der Mittelschicht der Stadt Lahore und gibt intime Einblicke in ihre „Geschichten“.nach oben

Band 4:

Julia Göllner: „Policies of Mental Health“: Perspektiven einer Anthropologie der Expertise.

Die Mechanismen der Globalisierung stellen den modernen Menschen vor eine Vielzahl von Problemen. Eines davon betrifft den Umgang mit „mental health“. Was nämlich ist „geistige Gesundheit“? Handelt es sich dabei lediglich um die Abwesenheit von Krankheit, oder muss „Gesundheit“ möglicherweise umfassender definiert werden? Und bezogen auf geistige Gesundheit: Wer entscheidet nach welchen Kriterien und auf Basis welcher Daten, wer gesund ist und wer nicht? Worin schließlich werden die Ursachen für psychische Erkrankungen gesehen?

Seit der deutsche Psychiater Emil Kraepelin nach seiner Indonesienreise im Jahre 1904 mit dem Beitrag Psychiatrisches aus Java die vergleichende transkulturelle Psychiatrie begründete, wurde eine Vielzahl von Versuchen unternommen, diese Fragen zu beantworten. Meist blieb es dabei freilich bei nationalen Alleingängen. Erst in den letzten Jahren sind verstärkt Bemühungen zu beobachten, auch auf internationaler Eben Lösungsstrategien zu entwickeln. Julia Göllner hat es sich in ihrer Arbeit zur Aufgabe gemacht, diesen Diskurs zu sichten und historisch zu kontextualisieren. Der Text führt dabei gleichermaßen in die ethnologische Diskussion ein wie in die weiten Felder der Globalisierungs-, medizin-, technik- und wissenssoziologischen Studien.nach oben

Band 3:

Tina Julia Thiermann: Interpretationen türkisch-kurdischer Jugendkonflikte in Berlin.

Die Studie von Tina Thiermann untersucht Konflikte zwischen türkisch- und kurdischstämmigen Jugendlichen in Berlin. Während solche Konflikte in den Medien meist als aus der Türkei "importiert" betrachtet und auf "ethnische Differenzen" zurückgeführt werden, betrachtet die Autorin die Konflikte aus der Perspektive der involvierten Jugendlichen und fragt danach, welche Schlüsse aus den individuellen Erfahrungen der Jugendlichen für die Entstehung und Eskalation der Konflikte in Deutschland gezogen werden können. Die Arbeit beruht auf einer empirischen Untersuchung, die sich mit Jugendlichen im Umkreis eines der PKK-nahestehender kurdischen Vereins auf der einen und mit Jugendlichen, die den türkisch-nationalistischen "Grauen Wölfen" nahestehen, auf der anderen Seite befasst hat. Sie kommt zu dem Schluss, dass gewaltsamen Konflikten in der Regel spezifische Provokationen der jeweils anderen Gruppe in der momentanen lokalen Konstellation vorausgehen – der Konflikt ist also keineswegs einfach „importiert“. Es sind stets vielfältige Faktoren, die zu Konflikten und ihrer Eskalation führen. Dabei entsteht eine Eigendynamik, die ihre Definition erst in der konkreten Situation erhält und die damit für die beteiligten Jugendlichen nur schwer steuerbar und retrospektiv auch nicht immer nachvollziehbar ist.nach oben

Band 2:

Philipp Zehmisch: A Xerox of India? Policies and Politics of Migration in an overseas colony.

The discourse about the Andaman Islands has been dominated either by exotic notions of insular savagery or by bourgeois-nationalist views of colonial history emphasizing the incarceration of revolutionaries. Both grand narratives have silenced representations of the Andaman migrant society that have emerged as a consequence of British and Indian colonization. The largely subaltern population has incorporated "reformed" convicts, soldiers, traders, contracted labourers, clerks, rehabilitated refugees, repatriates, and landless people from various religious, regional, and linguistic backgrounds. This paper critically examines how the formation of diasporic communities along linguistic lines has led to conflicts over resource distribution, quota reservation, conservation, and the very discourse of migration itself. It aims to highlight the impact of social-engineering policies on the politicization of ethnicity in an Indian overseas settler colony.nach oben

Band 1:

Andreas Keller: Der Dschihadismus als transnationale soziale Bewegung.

Seitdem in Folge der Anschläge des 11. Septembers 2011 das Phänomen des Dschihadismus in den Fokus der medialen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt ist, versuchen verschiedene Ansätze, Erklärungen zu finden. Diese Arbeit zeigt, dass der Dschihadismus als transnationale soziale Bewegung gesehen werden kann, die auf Identität abzielt. Der Dschihadismus versucht, eine schon vorhandene kollektive Identität umzudeuten; er bietet alternative Interpretationen für Ereignisse und seine Anhänger teilen gemeinsame Narrative, Symbole, Mythen, Helden und Praktiken. Durch die Anwendung von Bewegungsparadigmen ermöglicht die Arbeit die Analyse emischer Perspektiven des Dschihadismus.nach oben

 

 


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