Ethnologie
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Vortrag im Oberseminar: "Mini-India?"

Am Montag, den 25.Oktober 2010 startet das Oberseminar mit dem Doktoranden Philipp Zehmisch und dem Thema "Migration, postkoloniale Staatlichkeit und Lokalpolitik auf den Andamanen, Südost-Indien"

25.10.2010

Philipp Zehmisch, Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie, München:

Mini-India? Migration, postkoloniale Staatlichkeit und Lokalpolitik auf den Andamanen, Südost-Indien

„Mini-India“ ist eine weit verbreitetet Selbstbeschreibung der linguistisch und kulturell heterogenen Siedlergesellschaft auf den Andamanen. Sie geht auf eine koloniale Klassifikation zurück, die im Rahmen der social engineering in der größten Strafkolonie des British Empire entstand. Die Kategorie bezeichnet zuerst die Nachkommen von Ehen zwischen subalternen Häftlingen unterschiedlicher sozialer und regionaler Herkunft, die im Zuge ihrer Rehabilitation auf den Inseln angesiedelt wurden. Mini-India stand zu dieser Zeit für ein „harmonisches“ Miteinander der Gesellschaft, das als Resultat von Prozessen der Kreolisierung in der Bevölkerung gesehen wurde.

Als nach dem postkolonialen Anschluss an Indien die Bevölkerung von 30.000 auf 600.000 Menschen zunahm, wandelt sich auch der Diskurs. Staatlich angesiedelte Flüchtlinge aus Ost-Bengalen, Repatriierte aus Sri Lanka und Burma, Landlose aus Süd- und Mittelindien, sowie (vorwiegend Arbeits-) Migranten aus verschiedenen Teilen des Subkontinents trugen dazu bei, dass neue Muster der Abgrenzung von Gruppenidentität entstanden. Das Bilder der „integrativen“ Diversität wich dem einer „multikulturalistischen“ Gesellschaft, einem Nebeneinander von weitestgehend homogenen Gruppen, die sich wahlweise auf der Basis von Ethnizität, Sprache, Religionsgemeinschaft, Kaste oder Klasse definierten. Auch die kreolisierte Lokalgesellschaft positionierte sich neu: als Hybride in einem Umfeld von „homogenen“ Gruppen.

Dieser Wandel kann als ein Ergebnis der Politisierung von Gruppenidentität gesehen werden. Er hängt einerseits mit wohlfahrtsstaatllichen Klassifikationen von „Backwardness“ zusammen, wodurch historisch und sozial benachteiligte Gruppen zu Nutznießern „positiver Diskriminierung“ werden und ihre Politik entsprechend ausrichten: sie essentialisieren oder homogenisieren ihre Zugehörigkeit zu strategischen Zwecken. Zum anderen üben regionale und überregionale Parteien des indischen Festlands ideologischen und ökonomischen Einfluss auf das lokalpolitische Geschehen aus, was sich vor allem in Patronage- und Allianzbeziehungen widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund wird der Frage nachgegangen, auf welche Art und Weise (subalterne) Stimmen politisch artikuliert werden und inwiefern dieser Prozess an ökonomische Distributionsmechanismen gekoppelt ist.

Wann? Montag, den 25. 10. 2010, 18-20 Uhr c.t.

Wo? Edmund-Rumpler-Str. 13, B 117


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