Ethnologie
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Vortrag: "Planungssicherheit und Utopie – Verhandlungssache „Indigene Autonomien“"

Im Oberseminar referiert Dr. Henry Kammler am Montag, den 24. Januar 2011 über die Autonomieverhalndlungen auf Vancouver Island

24.01.2011

Dr. Henry Kammler (LMU München, Ethnologie):

"Planungssicherheit und Utopie – Verhandlungssache „Indigene Autonomien“ auf Vancouver Island"

Weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit finden in der kanadischen Provinz British Columbia seit 1993 die wohl langwierigsten und kostspieligsten Verhandlungen der neueren Geschichte statt. Etwa 60 indigene Gemeinschaften und Allianzen verhandeln mit den Regierungen von Provinz und Nationalstaat über individuell ausgehandelte Autonomiepakete, die ihnen einen Teil ihres enteigneten Landes, umfangreiche Kompensationszahlungen und begrenzte Selbstbestimmung sichern sollen. Historischer Hintergrund ist, dass es anders als im restlichen Nordamerika hier nie Landabtretungsverträge gegeben hat, sondern indigener Landbesitz von der britischen Krone per Federstrich vereinnahmt wurde. Von den „First Nations“ nie akzeptiert, ist dieser Landverlust auch in den Rechtsinstanzen bis hin zum Obersten Gericht Kanadas seit den 1970er Jahren zunehmend in Frage gestellt worden: Die Territorialrechte der Indigenen seien eben nicht vollkommen erloschen, wie von Krone und Bundesregierung behauptet. Allerdings war es nicht der indigene Widerstand, sondern die wegen des ungeklärte Rechtsstatus’ errechneten Investitionsausfälle, die die Regierungen zum Einlenken bewogen. „Planungssicherheit“ (certainty) und „Versöhnung“ (reconciliation) sind denn auch das regierungsseitige Mantra.

Im Vortrag wird der Fall der Nuu-chah-nulth („Nootka“) zum Gegenstand gemacht werden, die bereits 1975 den Austritt aus der kanadischen Föderation erklärt hatten, ohne freilich diese deklarierte Souveränität politisch und ökonomisch vollziehen zu können. Einige ihrer Teilstämme gehören jetzt zu den ersten, die 2009 einen dieser neuen Verträge zum Abschluss brachten, während andere Teilstämme weiterverhandeln oder das neue Rechtsmodell indianischer „Regierungen dritter Ordnung“ als neokolonialistisch verwerfen. Ausgestattet mit Steuerhoheit, eigenen Gesetzesbüchern und Verfassungen erhoffen sich indigene Proponenten lokale Modelle nach dem Vorbild der autonomen Inuit-Provinz Nunavut, während sich British Columbia in einen Schweizer Käse einer Vielzahl von winzigen Rechtsräumen verwandelt. Nicht zuletzt sind in der laufenden Implementierungsphase die lokalen Krisen von Kultur- und Wissensmanagement sowie (fehlender) partizipativer Strukturen eines „nationbuilding im Kleinen“ für den Ethnologen erkenntnisversprechende Schauplätze.

Wann? Montag, 24. Januar 2011, 18 Uhr c.t.

Wo? Edmund-Rumpler-Str. 13, B 117


Servicebereich