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Rechtfertigung kriminellen Verhaltens am Beispiel der Lost-Place-Photography

Jeannine Moreth

Lost-Place-Fotograf*innen betreten (häufig illegal) verlassene und verfallende Objekte. Dort nehmen sie Fotos auf, die sie anschließend auf Plattformen im Internet präsentieren. Bei meinen Untersuchungen, die vier Feldbesuche, drei Interviews sowie schriftliche Korrespondenz umfassen, lag der Schwerpunkt darauf herauszufinden, wie die Fotograf*innen ihr rechtswidriges Verhalten rechtfertigen. Ich erfuhr von unerwarteten Zwiespälten und entdeckte einen überraschenden Idealismus. So trägt die Verharmlosung dieses Hobbies auf einem kompetitiven Markt für Nervenkitzel (den Social-Media-Plattformen) zu einem wachsenden öffentlichen Interesse bei, infolgedessen sich ein regelrechter Tourismus der Lost Places bemächtigt hat und rasant zu deren Verfall beiträgt. Neben einer Faszination für die Melancholie und das Morbide überzeugt außerdem Idealismus die Fotograf*innen von ihrer Tätigkeit. Sie betrachten sich als wertschätzende Besucher eines Ortes, die ihn (sei es unerlaubt) aufsuchen, um ihm Ehre zu erweisen, Bewusstsein dafür zu wecken, dass der vermeintlichen „Schandfleck“ erhaltenswert ist oder sich sogar tatkräftig für dessen Interessen einzusetzen. Die Fotograf*innen konstruieren somit ihr ungesetzliches Verhalten kognitiv neu, indem sie es durch gesellschaftliche Verpflichtung moralisch rechtfertigen.

Peter Lechner: Wie viele Lichter verdanken nur ihrem Leuchter, dass man sie sieht? (Friedrich Hebbel)

Foto: Peter Lechner (2015): Wie viele Lichter verdanken nur ihrem Leuchter, dass man sie sieht? (Friedrich Hebbel)


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