Ethnologie
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Die Shipibo-Conibo: Das Ringen um die rechten Muster

Pia Mayer-Gampe

Die Wirklichkeit der Shipibo-Conibo am Río Ucayali in Peru ist von Mustern durchwoben, die im Alltag meist unsichtbar sind. Durch den Gebrauch von psychoaktiven Pflanzen – am bekanntesten ist ein Absud aus Ayahuasca (Banisteriopsis caapi) und Blättern von Psychotria viridis – werden die Muster sichtbar. Sie setzen sich aus breiten Linien (kanoa), die als Ge-rüst den Aufbau der oberen Welt stützen, und schmalen Linien (kené) zusammen. Die feinen kené sind dem Menschen und vielen Geistwesen wie etwa der ani ronin, der großen Boa, eigen. Kené, heute als Bezeichnung für Muster aus beiden Linienarten gebraucht, sind ein synästhetisches Phänomen, welches mit dem Singen von Heilungsliedern (icaros) verbunden sein kann, und unter anderem Geruch assoziiert wird.

fig.2

Vitrine (Shipibo) im neuen Ausstellungsraum im Museum Fünf Kontinente (Ausschnitt).
Foto: Ira Eue (2020).

Bis vor wenigen Jahrzehnten lebten die Shipibo-Conibo vor allem von ihren Pflanzungen und vom Fischfang. Ihr Lebensraum ist heute durch Abholzung und Agroindustrie, Klimawandel, und Konzessionen für Ölfirmen gefährdet. Der in den ländlichen Gegenden aufkommende Tourismus birgt Chancen, bringt aber auch Veränderungen mit sich; das Kunsthandwerk floriert, und Ayahuasca avancierte zur Modedroge. Rituelle Spezialist*innen, die onanyas, behandeln Kundschaft von auswärts, ohne ihre eigene soziale Rolle in der lokalen Gemeinschaft zu erfüllen. Die soziale Schere öffnet sich immer weiter: Rituale und Narrative werden der neuen Klientel angepasst, was in einem Ringen um Authentizität und auch fortwährenden Aushandlungsprozessen von kultureller Identität und Repräsentation resultiert.

Begleitheft zur Ausstellung (S. 11–14)


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