Ethnologie
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Ein Maskenfest in Puerto Nare: Maskengewänder der Karihona

Ira Eue

Das letzte Maskenfest lag im Dorf Puerto Nare am Río Vaupés (port. Rio Uapés) schon länger zurück, als Anfang der 1970er Jahre der Ethnologe Helmut Schindler dort eintraf.1 Das Wissen um die Herstellung und Verwendung der Maskengewänder hingegen war noch sehr lebendig.2 Gemeinsam kam man überein, ein Maskenfest vorzubereiten. Das Ergebnis – die Maskengewänder und Fotografien, die in den 70er Jahren im Rahmen dieses Maskenfests entstanden sind – sowie die mündlich überlieferten Erzählungen und Liedtexte wurden von dem gebürtigen Wiener Ethnologen Schindler an Otto Zerries – dem damaligen Kurator und Leiter der Amerika-Abteilung des Staatlichen Völkerkundemuseums München, das heute unter dem Namen Museum Fünf Kontinente bekannt ist – geschickt.

Vor allem zur Erntezeit von Baumfrüchten der Pfirsichpalme (sps. chonta; port. pupunheira), aus denen ein alkoholisches Getränk hergestellt wird, fanden die Maskenfeste der karibsprachigen Karihona (übers. Menschen, Leute) statt. Die Maskengewänder der Karihona repräsentieren Geistwesen (oder auch Gottheiten), zumeist in Form von Raubkatzen und Hirschen (i.e. capreolinae) sowie Faultiere und Mistkäfer, und können sowohl von Männern als auch Frauen getragen werden.

Die Herstellung und das Tragen der Maskengewänder aus Rindenbast gehen in der ‚Mythologie‘ und im Glauben der Karihona mit einigen Gefahren einher – nicht zuletzt deshalb da die Bastfasern, die aus den Blättern und dem Stamm der Pfirsichpalme gewonnen werden, von der Lebenskraft akürü durchdrungen sind.3 Der Respekt, der den akürü – sprich, dem amore (übers. Seele, in Bezug auf Pflanzen) – und den itutarü (Waldgeistwesen) gleichermaßen entgegengebracht wird, zeigt sich wahrscheinlich am deutlichsten in den getroffenen Schutzmaßnahmen: Der rote Farbstoff, der zur Herstellung von Masken(gewändern) verwendet und aus Achiote-Samen (bixa orellana, Annattostrauch) gewonnen wird, wird vor der Verwendung von einem religiösen Spezialisten beblasen, um die schädliche Kraft des iwo (Totengeist) abzuschwächen und die Lebenden vor dessen Einfluss zu schützen.

 

1 Nicht zu verwechseln mit der nördlich von Bogotá gelegenen Stadt, Puerto Nare, im Departamento de Antioquia.
2 Cf. Plessner (1986). Mit anderen Augen: Aspekte einer philosophischen Anthropologie. Stuttgart: Reclam; Plessner (2001). Politik, Anthropologie, Philosophie. München: Wilhelm Fink; vgl. Sloterdijk (1981). Der starke Grund, zusammen zu sein: Erinnerungen an die Erfindung des Volkes. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
3 Schindler (2019) Die Karihona. München: Utz; zur Kreation von Maskengewändern: Schindler (2016) Die Glitzer-Augen wilder Numina. In: Müller/Mergenthaler (2016) (Hg.) Ethnographische Streifzüge. Dettelbach: J.H. Röll.

 

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Weiblicher und männlicher itutarü; im Vordergrund zudem die Rindenbasttrompete
(notihüimü, „Die große alte“), die während eines Maskenfests der Karihona geblasen wird.
Foto: Ira Eue (2020)

Begleitheft zur Ausstellung (S. 20–22)


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