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Santa María Tlahuitoltepec

Katharina von Sohlern und Katharina Heppner

Santa Maria Tlahuitoltepec, kurz Tlahui genannt, liegt in der zona alta der Sierra Mixe auf einer Höhe von 2.280m. Zur cabecera municipal, dem Zentrum, gehören 13 ranchos, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Auf den Straßen Tlahuis hört man vorwiegend Ayuujk, die indigene Sprache, die von einem Großteil der Bewohner und Bewohnerinnen gesprochen wird. Im Jahr 2000 verzeichnete das Zentrum 2.735 Einwohner und Einwohnerinnen (Nava Morales 2004: 37).

Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Auf ihren Feldern bauen die Familien Mais, Bohnen, Kürbis und Erbsen an. Meist halten sie noch Hühner und Kleintiere in den kleinen Höfen ihrer Häuser, nur einige vermögendere Familien besitzen auch Rinder. Ein weiterer wichtiger Beschäftigungszweig liegt im Dienstleistungssektor. In Tlahui gibt es mehrere kleine Lebensmittel- und Bekleidungsgeschäfte, Eisen- und Haushaltswarenläden, Internetcafés sowie Restaurants. Jeden Samstag findet ein Markt im Zentrum statt, auf dem die Bauern aus den umliegenden ranchos ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse verkaufen. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner benachbarter Gemeinden besuchen samstags die plaza in Tlahui. Das dritte wichtige Beschäftigungsfeld stellt die Bildung dar. Neben mehreren Grund- und weiterführenden Schulen gibt es in Tlahui zwei Oberstufenschulen, mit deren Abschluss ein Studium an einer Hochschule möglich ist: das bilinguale BICAP (Bachillerato Integral Ayüüjk Polivalente) sowie das Musikinternat CECAM (Centro de Captación Musical).

Tlahui präsentiert sich als traditionsbewusstes und stolzes Mixe-Dorf. Ein wichtiger Bestandteil der Kultur der Mixe, der das Dorfleben entscheidend prägt, ist der Festzyklus. Neben dem nationalen Feiertag todos santos am 1. November und individuellen Feiern, wie Hochzeiten oder Geburt, werden in Tlahui drei große Feste gefeiert, die aus der Verbindung von katholischen Feiertagen mit dem traditionellen religiösen System der Mixe entstanden sind: La Asunción del Señor (Ende Mai, 40 Tage nach Ostern), das Patronatsfest Santa María Asunción (15. August) und Virgen de Guadelupe (12. Dezember). Der Cempoatépetl, der Berg der 20 Gipfel bzw. der 20 „Gottheiten“, der sich in unmittelbarer Nähe des Dorfes befindet, spielt für die gesamte Region eine wichtige Rolle. Insbesondere an Feiertagen, aber auch zu anderen wichtigen Anlässen wie Aussaat, Ernte oder auch bei persönlichen Anliegen, werden hier Rituale vollzogen mit Opfergaben dargebracht (Barabas 2006: 121-126). Ein weiteres wichtiges Element für die Konstruktion kultureller Identität, insbesondere im Rahmen von Festen, sind die bandas. Die Blaskapellen besitzen bis zu 30 Mitglieder. Allein in Tlahui gibt es, wie uns erzählt wurde, über sechs verschiedene bandas. Sie spielen sowohl anlässlich von Festen in Tlahui selbst als auch in den umliegenden Dörfern oder auch in anderen Städten des Landes. Sie repräsentieren die Gemeinde nach außen und werden landesweit mit den Mixe assoziiert.

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Fiestra in Tracht in Tlahuitoltepec. Foto: Jorge Atristain Lopéz

 Unsere Forschung konzentrierte sich auf die Manifestation der cosmovisión (zu übersetzen etwa mit Weltsicht) in der Lebenspraxis der Gemeinde sowie die damit in Verbindung stehende Konstruktion kultureller Identität. Die beiden bereits genannten Schulen, das BICAP und das CECAM, dienten uns dazu als Forschungssorte. Das BICAP hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kultur, Sprache und Geschichte der Mixe wiederzubeleben und zu stärken, um desarrollo (Entwicklung) und florecimiento (Wachstum, Blühen) für die Gemeinde zu gewährleisten (BICAP 2012). Das CECAM hingegen begreift sich als autonome Schule, die ihre Entscheidungen unabhängig von der Regierung trifft. Ihr Ziel besteht darin, den Schülern und Schülerinnen eine professionelle musische Ausbildung zu bieten, die sie zu einem weiterführenden Studium an einer Hochschule berechtigt und die Qualität der bandas sichert. Durch internationale Auftritte des offiziellen Schulorchesters wurde das CECAM über die Grenzen Mexikos hinaus bekannt.

Die Leitfragen für unsere Forschung bezogen sich auf die Themenkomplexe kulturelle Identität und cosmovisión: Welche Elemente charakterisieren die gegenwärtige Kultur der Mixe aus ihrer eigenen Perspektive? Welchen Einfluss üben die Bildungsinstitutionen auf die „Bewahrung“ und Reproduktion der Kultur und Identität der Mixe aus?

Während unseres Feldforschungsaufenthaltes stützen wir uns vor allem die teilnehmende Beobachtung, die sich einerseits für die Analyse der Unterrichtseinheiten in den schulischen Institutionen sehr gut eignete und andererseits auch für ein Verständnis der rituellen Zeremonien unumgänglich war. Auch durch unsere Unterbringung in einer Gastfamilie konnten wir viele Beobachtungen machen und Informationen zum alltäglichen Leben sammeln, die wir in Form von Feldnotizen festhielten. Als wichtige Quelle dienten uns zudem informelle Gespräche, die in verschiedenen Kontexten, wie z. B. bei Feierlichkeiten, einem gemeinsamen Essen oder bei Anlässen wie Ernte oder Aussaat, stattgefunden haben. Weitere Methoden, die wir zur Anwendung brachten, waren Leitfadeninterviews mit ausgewählten Personen. Außerdem sammelten wir mit Hilfe von Fragebogen weitere Informationen von einem Großteil der Schüler und Schülerinnen des BICAP. Neben allgemeinen Informationen zu Herkunft oder Geschlecht sollten Antworten in Form einer sentence completion Aufschluss über die Zukunftsvorstellungen der Schüler geben. Zu einem strukturierten Überblick über den Aufenthalt im Feld und zu einer kritischen Reflexion leistete zudem unser Feldtagebuch einen wichtigen Beitrag. Anzumerken bleibt auch, dass wir anfangs einige Schwierigkeiten hatten, unser Forschungsvorhaben umzusetzen. Die zeitweise distanzierte Haltung der Dorfbewohner und Dorfbewohnerinnen Fremden gegenüber, erschwerte uns den Einstieg in das Dorfleben. Durch die Konzentration auf die Bildungsinstitutionen eröffneten sich uns letztendlich doch viele Zugangsmöglichkeiten und es ist uns gelungen, zu unseren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Literatur:

Barabas, Alicia (2006). Los retos actuales para las tradiciones indígenas. Procesos de transformación y reelaboración en Oaxaca. Alteridades 16 (032): 113-131.

Nava Morales, Elena (2004). Prácticas culturales en movimiento: Internet en una comunidad indígena de Oaxaca, el caso de Santa María Tlahuitoltepec Mixe. Universidad Autónoma Metropolitana. Iztapalapa. <http://148.206.53.231/UAMI12058.PDF> [20.05.2012].

Plan de desarrollo municipal (2011). Santa María Tlahuitoltepec, Mixe, Oaxaca.<http://www.finanzasoaxaca.gob.mx/pdf/inversion_publica/pmds/11_13/437.pdf> [20.05.2012].

Weitere Internetquellen:

BICAP <http://www.bicap.edu.mx/index.htm> [20.05.2012]

Tlahuitoltepec <http://www.tlahuitoltepec.com/> [20.05.2012]


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