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Feldforschungspraktikum Gilgit-Baltistan

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Von 2011 bis 2013 förderte der DAAD im Programm für deutsch-pakistanische Forschungskooperationen die Zusammenarbeit des Instituts für Ethnologie der LMU mit der Karakoram International University (KIU) in Gilgit und der Quaid-I-Azam University (QAU) in Islamabad.

Nach einem Doktorandenworkshop zu Naturkatastrophen und einem Filmworkshop – beides fand 2013 in Islamabad statt – reisten für die letzte Etappe der Kooperation vier Magisterstudierende und zwei Doktorandinnen mit Martin Sökefeld für zwei Monate zur Summer School Anthropological Fieldwork Methods in die pakistanische Hochgebirgsregion Gilgit-Baltistan. Professor Azam Chaudhary brachte aus Islamabad vier Studenten des National Institute of Pakistan Studies der QAU mit. Auf einen Workshop an der KIU folgte eine Forschungsphase, in der die TeilnehmerInnen verschiedene Forschungsprojekte bearbeiteten. Die Ergebnisse fließen in Abschlussarbeiten und in ein Themenheft zur Ethnographie Gilgit-Baltistans der Zeitschrift Ethnoscripts ein.

Hier gibt es einen Überblick über die Forschungen der Münchner TeilnehmerInnen.

 

Auf der Suche nach dem Sehnsuchtsort Hunza - Theresa Huber

Hunza – von diesem Tal geht eine Art Zauber aus. Er zieht alle in seinen Bann, ausländische Touristen, Menschen aus dem pakistanischen Tiefland und die Menschen in Hunza selbst. Hunza ist nicht nur eine geographische Ortsangabe, sondern ein Synonym für einen mythischen Sehnsuchtsort. Meine Arbeit soll das Bild nachzeichnen, das die Menschen von Hunza schufen. Zweifelsfrei handelt es sich um einen Ort von atemberaubender Naturschönheit, doch im Laufe der Zeit musste ich feststellen, dass sich das Bild auch aus anderen Quellen speiste. Religiöse und politische Themen oder die Rivalität zur gegenüberliegenden Talseite Nager manifestieren sich ebenso in dem vielschichtigen Hunza-Bild, wie die durch Revitalisierung ins kollektive Bewusstsein zurück geholten Traditionen der Schamanen und lokalen Geschichtsschreiber. Die Suche nach den Parametern der soziale Konstruktion 'Hunza' war auch eine Reise in die Gedankenwelt der Menschen – und so auch in meine eigene.

 

Müll in Hunza - Michael Jogmin

Hunza und besonders der Ort Karimabad locken Jahr für Jahr Touristen in die Region. Im Zuge der touristischen Er-schließung entstehen neue Problemfelder wie z.B. die Müll-beseitigung. Mit der Menge importierter Waren aus dem nahe gelegenen China und dem pakistanischen Tiefland wächst auch die Menge an Verpackungsmüll. Vor zehn Jahren sind Strukturen einer privaten Abfallbeseitigung entstanden. 2012 wurde diese Art der Müllbeseitigung – organisiert durch eine lokale NGO – aus diversen Gründen eingestellt. Seit 2013 arbeiten Organisationen wie die „Town Management Society“ (TMS) oder das „Aga Khan Development Network“ (AKDN) an einer Lösung für eine gemeinsame und möglichst nachhaltige Beseitigung von Abfall. Dabei müssen sie nicht nur Fragen der Zuständigkeit und des Landbesitzes klären, sondern auch religiöse Unterschiede und soziale Spannungen im Zuge von Meinungsverschiedenheiten bei ihrem Entscheidungsprozess mit einbeziehen.

 

Citizen Journalism - Claudia Stadler

Bürgernaher Journalismus erfährt in Gilgit-Baltistan seit einigen Jahren starken Zuspruch. Den verbesserten Zugang zum Internet nutzen immer mehr BewohnerInnen der Hochge-birgsregion als Möglichkeit, an der lokalen Berichterstattung teilzuhaben. Online-News-Blogs sind eine Erweiterung der bisher nur dünn gestalteten öffentlichen Sphäre der Region. Das Interesse lokale Informationen zu verbreiten entspringt verschiedenen Motiven, wie dem Austausch mit Abgewanderten, der Teilhabe am öffentlichen Diskurs, dem Streben nach Transparenz sowie der Dokumentation lokaler Traditionen. Der Fokus der Forschung lag auf der Vernetzung der aktiven BürgerInnen des News-Blogs Pamir Times. Citizen Journalism als neue Form von Partizipation ist in Gilgit-Baltistan vor allem gegenüber dem traditionellen Journalismus und im Kontext gesellschaftlicher Bedingungen wie der unter-schiedlichen Religionszugehörigkeit, Herkunft, Bildung usw. zu verstehen.

 

Christen in Gilgit - Maria Beimborn

Es ist in erster Linie der „Staat“ der Christen nach Gilgit-Baltistan bringt. Mit der lokalen Präsenz des Staates in Form von Militär und anderen Institutionen fallen Reinigungstätigkeiten im öffentlichen Raum an, die als „unrein“ stigmatisiert sind und von der lokalen Bevölkerung gemieden werden. Solche Dienste werden in ganz Pakistan vor allem von Christen geleistet, die überwiegend Nachkommen von Konvertiten aus der Kehrerkaste Chura sind. Inzwischen gibt es rund fünfzig christliche Haushalte in Gilgit

In Pakistan ist die Lage religiöser Minderheiten in vielerlei Hinsicht prekär. Christen leiden unter Armut, Gewalt, politischer und sozialer Diskriminierung und dem Stigma der Unreinheit. Die Feldforschung lieferte erste Einblicke in die Situation der Christen in Gilgit. Besondere Aufmerksamkeit galt den Strategien des Kampfes um Bürgerrechte: Der Pastor nutzte die rechtlichen Graubereiche und erstritt das provinzielle Wahlrecht für die „Alteingesessenen“; gegen den Widerstand lokaler Mullahs wurde eine christliche Modell-Kolonie mit Kirche gebaut. Wie war das möglich? Zum einen mit Nachbarschaftshilfe und strategischen Kontakten in die Stadtverwaltung. Zum anderen durch die Ausgangssperre, die in Folge gewalttätiger interkonfessioneller Ausein-andersetzung Gilgit lahmlegte, jedoch die Bauaktivitäten vor der öffentlichen Kritik schützte.

 

Frauen und sozialer Wandel - Anna-Maria Walter

Die Lebenswelt der Frauen in Gilgit-Baltistan war bisher nur selten Gegenstand der Ethnographie. Das Leben der Frauen ist von der teils sehr rigiden Einhaltung von pardah, der Geschlechtertrennung geprägt. Ich untersuchte, inwiefern globale Ideen und Technologien wie das Mobiltelefon den Alltag der Frauen verändern, erweitern oder gar einschränken. Als Ausgangspunkt der Untersuchung eignet sich das sehr ländlich geprägte, rein schiitische Bagrot-Tal in der Nähe von Gilgit, das erst im Sommer 2013 an das Mobilfunknetz angeschlossen wurde. Das urbane Zentrum Gilgit diente als Vergleich. Die Stadt ist von der starken Segregation der drei ansässigen muslimischen Konfessionen Ismailiten, Sunniten und Schiiten geprägt. Immer wieder akut werdende Konflikte zwischen den Gruppen haben gravierende Auswirkungen auf die Frauen. Gleichzeitig fällt in der gesamten Region ein sehr starker Fortschrittsglaube auf. In den vergangenen Jahren entstand in der lokalen Bevölkerung ein intensiver Aktivismus, der Bildung, Informationen und „Entwicklung“ fördern soll. Die positive Einstellung zu Veränderungen ist bisher nur durch den Missbrauch von Handys getrübt worden und kommt Frauen ansonsten in der Erweiterung ihres Aktionsradius ent-gegen. Dabei bleiben „traditionelle“ Werte bestehen, werden im veränderten Kontext aber stetig neu verhandelt.

 

Die weibliche Lebenswelt an der Karakoram International University (KIU) - Nadine Kriebel

Die Karakoram International University (KIU) in Gilgit hat rund 2300 StudentInnen und wurde 2002 eröffnet. Seitdem stu-dieren hier junge Männer und Frauen, überwiegend aus der Region Gilgit-Baltistans, zusammen. Im Zuge ihres Studiums verlassen viele junge Frauen zum ersten Mal ihr Elternhaus und machen erstmalig die Erfahrung, gemeinsam mit Männern unterrichtet zu werden. Die Distanz zur Familie sowie die ständige Konfrontation mit dem anderen Geschlecht führt bei vielen Studentinnen zu inneren Konflikten. Mich interessierte in meiner Feldforschung, wie die jungen Frauen ihren Alltag im Studentinnenwohnheim und an der Universität gestalten und erleben und wie die pardah-Regeln an der Universität verhandelt werden.


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