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14.12.2024
Mithu Sanyal (2021): Identitti. München: Hanser Verlag.
Ich habe so wenig Lust auf platte Diskussionen und es gibt so ein paar Themen, die so oft zu platten Diskussionen führen. Für mich gehören zu diesen Themen Gender und Rassismus. Es gibt auch gefühlt nur politisch inkorrekte Worte und so viele Missverständnisse. Diese Themen empfinde ich so oft als heikel, unangenehm und peinlich. Ein Tanz auf rohen Eiern.
Und genau da springt Mithu Sanyal mit ihrem Roman „Identitti“ mitten rein und plantscht genussvoll in all diesen Fettnäpfchen, die plötzlich und überraschend gar nicht mehr so fettnäpfig-peinlich sind.
Identitti heißt eigentlich Nevidita und studiert Intercultural Studies und Postkoloniale Theorie in Düsseldorf. Sie gerät mitten in einen riesigen Skandal, als herauskommt, dass ihre (Lieblings-) Professorin, bei der sie gerade ihre Masterarbeit schreibt, nicht wie behauptet indischer Abstammung ist, sondern durch und durch deutsch und weiß. Das zieht Nevidita tatsächlich den Boden unter den Füßen weg. Für sie steht plötzlich nicht nur die Identität ihrer Professorin, sondern auch ihre eigene im Brennpunkt.
Mithu Sanyal gelingt es wirklich diesen Skandal so clever und mit ganz viel Herz und Humor von allen Seiten auszuleuchten und dabei nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern immer wieder alle möglichen Schubladen, in denen man so denken könnte, weit aufzuziehen und alles ans Licht zu holen. Peinlich? Absolut nicht.
„Identitti“ ist spannend, unterhaltsam, lustig, verrückt, inspirierend, und irgendwo zwischen Gesprächen mit der Göttin Kali und wilden Social Media Shit Storms, zwischen falschen Vorbildern und echten HeldInnen, Schein und Sein, Lachen und Weinen, steht da eigentlich eine sehr drängende Frage an den Leser im Raum: „Wer bist du wirklich und traust du dich ganz du zu sein?“
Ilka Küster