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05.12.2025
Patricio Guzmán (2010): Heimweh nach den Sternen. Dokumentarfilm GR / F / F 2010 (Nostalgia de la Luz, 90 Min.)
Patricio Guzmáns Dokumentarfilm Heimweh nach den Sternen (2010) entfaltet eine poetische Verbindung zwischen kosmischer Weite und menschlicher Erinnerung. In der chilenischen Atacama-Wüste, einem der trockensten Orte der Welt, kreuzen sich zwei Formen der Suche: Astronom*innen richten ihre Teleskope in den Himmel, um Licht aus vergangenen Zeiten zu studieren, während Frauen auf der Erde nach den Überresten ihrer während der Pinochet-Diktatur verschwundenen Angehörigen graben.
Diese Gegenüberstellung verwandelt die Wüste in einen Ort der Erinnerung – einen Raum, in dem Wissenschaft, Geschichte und Schmerz miteinander verwoben sind. Guzmán zeigt, dass sowohl das Licht der Sterne als auch die Spuren der Toten Zeugnisse der Vergangenheit sind. Was vergangen scheint, bleibt gegenwärtig: Das Universum und die Erde werden zu Spiegeln der Erinnerung.
Für uns Ethnolog*innen und Kulturwissenschaftler*innen ist Heimweh nach den Sternen aufschlussreich, weil der Film Fragen nach der Materialität von Erinnerung und der Bedeutung von Raum stellt. Landschaft erscheint nicht als Kulisse, sondern als Trägerin von Geschichte. Die Wüste wird zu einem Archiv, in dem sich wissenschaftliche Erkenntnis und politische Aufarbeitung überlagern.
Zugleich thematisiert Guzmán die Ethik des Erinnerns: Wer spricht für die Verschwundenen? Wie lässt sich Abwesenheit sichtbar machen, ohne sie zu vereinnahmen? Der Film erinnert daran, dass jede Form des Suchens – ob astronomisch oder archäologisch – Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses ist, sich in Zeit und Raum zu verorten.
Mit seiner ruhigen, meditativen Bildsprache zeigt Guzmán, dass Erinnerung nicht nur in Archiven oder Monumenten existiert, sondern in der Landschaft, im Licht und in den Blicken der Suchenden. Heimweh nach den Sternen wird so zu einer anthropologischen Meditation über das Zusammenspiel von Menschen, Geschichte und Kosmos – und zu einer Einladung, das Nachdenken über Erinnerung und Erkenntnis neu zu beginnen.
Ich wünsche Euch/Ihnen eine lichtvolle Adventszeit aus Chile – mit offenen Augen für das, was bleibt, und für das, was noch entdeckt werden will.
Valeska Díaz
