Ethnologie
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19.12.2023

H. Glenn Penny (2002): Objects of Culture. Ethnology and Ethnographic Museums in Imperial Germany. Chapel Hill; London: University of North Carolina Press.

[Die Sammlung] ist sehr hübsch und wird unseren kümmerlichen Südamerika-Bestand sehr bereichern, nur macht sie Appetit nach mehr, weshalb ich Sie bitte, uns Halbbrasilien mitzubringen.“*

Karl Weule, Direktor des Grassimuseums, richtete diese Zeilen 1912 an seinen Kollegen Theodor Koch-Grünberg, der sich zu diesem Zeitpunkt in Brasilien befand und zur (Re)finanzierung seiner Forschungsreise ethnographische Objekte an das Leipziger Museum geschickt hatte.** Im März 2022 wurde anlässlich der Wiedereröffnung des „erneuerten“ Grassimuseums die Ehrenstele im Treppenhaus, auf der vormals eine Büste Weules stand, durch Mitglieder eines Künstler_innen-Kollektivs mit Meißel und Presslufthammer verhackstückt.

Wer sich bei der dringend notwendigen Aufarbeitung der kolonialen Geschichte und Gegenwart ethnologischer Sammlungen eines feineren Werkzeugs bedienen möchte, dem sei dieses Buch von Glenn Penny empfohlen. Der US-amerikanische Historiker spürt hier den vielschichtigen und nicht selten widersprüchlichen ideengeschichtlichen, ökonomischen und politischen Konstellationen der Sammlungs- und Ausstellungspraktiken deutscher Völkerkundemuseen nach. Indem Penny diese als von mannigfachen Motivationen getriebene Institutionen vorstellt und dabei auch die nationalen Besonderheiten der Museumsethnologie zur Zeit des deutschen Kaiserreichs in den Blick nimmt, liefert sein Buch - noch zwanzig Jahre nach seiner Entstehung - wertvolles Grundlagenwissen zu der aktuell arg verengten Debatte um die kolonialen Verstrickungen ethnographischer Sammlungsobjekte.

Paul Hempel

Adventskalender 2023 Empfehlung 19

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* Brief Weule an Koch-Grünberg, Leipzig, 17.04.1912, Ethnologische Sammlung Marburg, A.13.
** Noch eine Fußnote anlässlich des 101sten Jubiläums eines anderen Klassikers: Für Koch-Grünberg, den Adressaten von Weules Brief, stand das Sammeln von Objekten schon längst nicht mehr im Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses, da er mehr an stationärer ethnographischer Forschung interessiert war - zehn Jahre bevor Bronislaw Malinowski 1922 seine Argonauts of the Western Pacific veröffentlichte und die teilnehmende Beobachtung als zentrale Methode im Fach etablierte.


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