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Descola, Philippe. 2017. La composition des mondes: Entretiens avec Pierre Charbonnier. Paris: Flammarion.

Es gibt in Frankreich eine lange Tradition von Interviews in Buchlänge, in denen bekannte Wissenschaftlerinnen zentrale Elemente ihrer theoretischen Entwürfe in allgemeinverständlicher, oft anekdotischer Form präsentieren. Sie adressieren damit nicht allein ein breites Publikum, auch für Leserinnen vom Fach stellen solche Bände eine willkommene Lektürehilfe zu den oft bis an die Grenze zur Unverständlichkeit (und darüber hinaus!) verdichteten theoretischen Ausführungen dieser Autorinnen dar. Und sie haben noch einen weiteren angenehmen Nebeneffekt: Gerade französische Wissenschaftlerinnen lösen sich bisweilen in der sterilen Anonymität einer objektivierenden Autorinnenposition auf. In den Interviewbänden hingegen erhalten sie plötzlich wieder ein menschliches Gesicht. Hier können sie sich nicht auf ein abstraktes «man» oder «wir» zurückziehen, sondern begegnen uns als Menschen aus Fleisch und Blut.

Wie solche Bände praktisch entstehen, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Aber ich bin sehr froh, dass es sie gibt! In seinen Gesprächen mit Pierre Charbonnier legt Philippe Descola dar, welche Erfahrungen und Überlegungen ihn beim Verfassen von Jenseits von Natur und Kultur leiteten und wie sich die Kernthesen des Werks zusammenfassen lassen. Er bereitet den Boden für die Thesen, die wenige Jahre später in Die Formen des Sichtbaren einfließen werden. Und wir erfahren auch, wie und warum er überhaupt Ethnologe wurde (er war gerne an der frischen Luft und wandert gerne). Daneben berichtet das Buch in amüsanter Form von den internen Grabenkämpfen der französischen Ethnologie der 1970er und 80er Jahre und löst schließlich eines der großen Rätsel unserer Disziplin: Wie hatte man, wenn man im Laboratoire d’anthropologie sociale das Glück hatte, Claude Lévi-Strauss, persönlich über den Weg zu laufen, den Meister anzusprechen? Das Buch ist inzwischen auch in englischer Übersetzung erschienen.

Thomas Reinhardt