Ethnologie
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05.12.2023

J. J. Voskui, "Das Büro" (insges. sieben Bände), daraus Band 3 mit dem Titel "Plankton". Aus dem Niederländischen übertragen von Gerd Busse und 2015 erschienen im Verbrecher Verlag Berlin.

Das Setting von Band 3: Amsterdam in den wilden Jahren 1972 bis 1975; ein großes ethnologisches Forschungsinstitut; der Hauptdarsteller ein promovierter Ethnologe und in diesem Institut ein kleiner Abteilungsleiter.
Der Inhalt: Büroleben und Ethnologie von innen. Genauer gesagt, geht es eigentlich um Volkskunde, aber mindestens zur damaligen Zeit waren in den Niederlanden die frühere Volkskunde und die Ethnologie ein und dieselbe Wissenschaft. Und diese Wissenschaft ändert sich genau in dieser Zeit: Das reine Sammeln von Daten und Gegenständen wird so langsam als sinnlos erachtet, wenn diese Sammelei nicht mit Theorie unterfüttert ist. Der Hauptdarsteller ist jung und Theorie-affin, seine Vorgesetzten sind mit den neuen Theorieansätzen überfordert und schieben daher immer wieder ihn vor, was sie aber nicht daran hindert, ihn zu piesacken und zu quälen und klein zu halten. Am Ende gibt es einen großen Kongress und allergrößten menschlichen Trouble.

Dieses Forschungsinstitut gab und gibt es bis heute, die Menschen in diesem Institut gab es auch, sie tragen im Roman lediglich andere Namen. Ansonsten ist alles real, quasi dokumentarisch und doch ein humorvoller Roman.

Die Romanreihe "Het Bureau" mit ihren sieben Bänden war in den Niederlanden in den 1990er-Jahren ein sehr großer Erfolg. Auf Deutschland umgerechnet wären das zwei Millionen verkaufte Bücher gewesen. Ich habe dieses Buch mit dem allergrößten Vergnügen gelesen. Es ist unglaublich lustig und hat mich an meine eigene Studienzeit erinnert, denn auch an unserem Institut gab es in den Achtzigerjahren Lehrende, die z. B. auf die Forderung, man möge doch bitte auch Seminare zum Strukturalismus und Claude Levi-Strauss anbieten, mit "man muss ja nicht jeder Theorie-Mode hinterherrennen" geantwortet haben. Auch die Hierarchien waren damals noch wie in Stein gemeißelt: Ihr könnt euch das nicht mehr vorstellen, aber damals gab es Studis, deren vornehmste Aufgabe darin bestand, die Tasche vom Herrn Professor zu tragen, den Seminarraum aufzusperren und die Tafel zu wischen. Das war sozusagen alte Schule, ganz alte! All die miesen kleinen und gelegentlich auch fetten Unterdrückungsmechanismen und die ganz, ganz vorsichtigen Widerstandsversuche des Hauptdarstellers sind in diesem Buch großartig beschrieben. Ich habe es langsam gelesen, damit ich lange was davon hab. Und das bei über 900 Seiten!

Wikipedia schreibt über J. J. Voskuil: "…Die einzelnen Bände erschienen von 1996 bis 2000 und führten in den Niederlanden zu einer wahren Bureaumanie mit langen Schlangen vor den Buchhandlungen, Fanclubs in Betrieben und Büros und zahlreichen Interviews mit dem Autor und den von ihm literarisch verarbeiteten Figuren des Romans. Der Volkskundler Voskuil habe beim Verfassen seines Romans „sein wissenschaftliches Werkzeug auf den eigenen Arbeitsplatz und das ganz besondere Brauchtum des Büros angewandt.“

Wolfgang Habermeyer

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