Ethnologie
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Das Lho Choe-Ritual in West Bhutan - Ein alljährliches Opferritual für die lokalen Deities

Gilbert Akal

Bei dem Lho Choe (annual offering) Ritual geht es darum, die lokalen Deities für das kommende Jahr gut zu stimmen und zu beschwichtigen. Diese spirituellen Entitäten werden in der Umwelt personifiziert, leben in Wäldern und Seen, auf Berggipfeln, in Felsbrocken oder Höhlen und sind aus dem Leben der Menschen nicht wegzudenken. Ob man sich mit den lokalen Schützern auseinandersetzt, steht nicht zur Debatte, denn obwohl nicht sichtbar und nur schwer greifbar, üben sie im hiesigen Kontext einen starken Einfluss auf das Leben der Menschen aus und müssen dementsprechend behandelt werden.

teaser-akal

Ritual-Instrumente, Skript, Reis und Hände des Lamas. (G. Akal: Trongsa, Koshala, 15. November 2022)

Die Menschen nehmen durch das Lho Choe gezielt Kontakt zu den Deities auf. Durch das Ritual, durch Opfergaben und Darbietungen erbitten sie Glück, Gesundheit, Wohlstand sowie Schutz vor schädlichen Einflüssen und Krankheiten für das kommende Jahr. Das Ritual wird im Haus des Familienoberhauptes oder im ancestral home der Familie abgehalten. In vielen Fällen wird es als die Fortführung einer von den Vorfahren begonnen Praxis behandelt, die zum Wohle der Familie weitergeführt werden muss.

akal-1

Torma (offering cake). Opfergabe die von den Mönchen für Pelden Lhamo (Mahakali) angefertigt wird. Nachdem es im Altarraum dargeboten wurde, wird es auf das Dach des Hauses gestellt, ausgerichtet gen Osten. Wenn Raben das Torma essen, ist es ein Zeichen dafür, dass es von den Deities angenommen wurde. (G. Akal: Trongsa, Koshala, 15. November 2022)

Um ein Ritual (Rimdro) zuhause abhalten zu können, braucht man den Altarraum (Choe Sham), die sich darin befindenden Ritualinstrumente und Skripte, sowie die religiösen Spezialisten. Die Religiösen Spezialisten sind in diesem Fall Mönche (Gelong) sowie ein Lama (Rinpoche/Tulku). Sie sind die Brücke zwischen den Laien und den Deities, da sie über die Ausbildung und die Mittel verfügen, um mit den betreffenden Entitäten in Kontakt zu treten.

akal-2

Frontaler Blick auf den mit Tsho (food offerings) und Torma (offering cake) bestückten Altar im Altarraum (Choe Sham). Der Tsho, bestehend aus Obst, Gemüse, Käse, Schokolade, Kekse und anderen Snacks, wird nach dem Ritual an Familienmitglieder, Freunde und Nachbarn verteilt. Tsho gilt als gesegnetes Essen und hat eine begünstigende Wirkung und diejenigen die es essen. (Trongsa, Koshala, 15. November 2022)

akal-3

Ritual-Instrumente und Skript im Altarraum. Von links nach rechts. Dorji (Donnerkeil), Drib (Glocke), Tang tee (Handtrommel) und Kanjur/Tanjur (Buddhistisches Skript, geschrieben in klassischem Tibetisch). (G. Akal: Trongsa, Koshala, 15. November 2022)

Der Glaube an Deities und andere nicht-menschliche Wesen beeinflusst und lenkt das Leben der Menschen in vielen Aspekten ihres Alltags. Es gibt Plätze, die nach Einbruch der Dunkelheit gemieden werden, und gewisse Verhaltensregeln, wenn man Bergpässe überquert oder sich in der Nähe eines heiligen Sees (Tso) aufhält. Bewegt man sich in Bhutan, muss man darauf achten, die lokalen Deities nicht zu verärgern, denn das könnte ernsthafte Konsequenzen haben.

akal-4

Die Hausherrin, welche das Ritual seit fast einem halben Jahrhundert alljährlich organisiert, zündet mit einem Räucherstäbchen (Poe) die auf dem Altar stehenden Butterlampen (Karme Kom) an. Die brennenden Lampen gelten als Darbietung für die Deities. Sie hält sich dabei, um das Heilige nicht mit ihrem Unreinen Atem zu verschmutzen (Dib), die Hand vor den Mund. (G. Akal: Trongsa, Koshala, 15. November 2022)

Das Lho Choe wirkt in diesem Sinne ausgleichend und vorbeugend und dient den Menschen als Erklärungsmuster und emotionale Infrastruktur. Zudem führt das Ritual die Familie alljährlich zusammen und dient in diesem Sinne nicht nur der Kommunikation zwischen Menschen und spirituellen Entitäten, sondern auch dem interfamiliären Austausch und der Aufrechterhaltung und Stärkung sozialer und familiärer Kontakte.

akal-5a

Dandung Village im Süden von Trongsa bei Einbruch der Dämmerung. Die Häuser sind umgeben von Reisfeldern und Bananen Palmen. Reis ist ein wichtiger Bestandteil einer jeden Rituals, sowie des alltäglichen Lebens in Bhutan. (G. Akal: Trongsa, Dandung, 14. November 2022)