Ethnologie
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Forschungsprojekt: Medialisierungen des Schattens

Die Medialität von Schatten steht dabei in den meisten betroffenen Gesellschaften außer Frage. Offen zutage tritt sie spätestens dort, wo dem Schatten eine Stellvertreterfunktion zugestanden wird. Diese kann juridisch-präskriptiver Natur sein (etwa die unter dem Einfluss des islamischen Bilderverbots erfolgte Ersetzung von Spielpuppen durch ihre Schatten im indonesischen "Wayang Kulit" oder die im alten deutschen Recht vorgesehene "Schattenbuße"), sie kann in ökonomische Transaktionen einmünden (z. B. bei den rumänischen Schattenverkäufern des 19. Jahrhunderts), sie kann medizinische Züge annehmen (wenn Krankheitsbilder sich nicht allein im Schatten manifestieren, sondern auch durch Handlungen am Schatten hervorgerufen oder geheilt werden können), und sie kann kultisch-religiösen Charakters sein (das Einmauern von Schatten zum Schutz von Bauwerken oder die Tabuisierung bestimmter Handlungen an/mit Schatten).

Ethnologisch und medientheoretisch fruchtbar gemacht werden können vor allem drei Aspekte des Schattens: seine Funktionalisierbarkeit als mit einer Vielzahl kultureller Deutungen aufladbares hybrides Quasi-Objekt (Serres), seine Weigerung, sich in eine einfache "Agent/Patient"-Dichotomie einpassen zu lassen sowie sein komplexes Verhältnis zu Fragen der Epistemologie und der Zeitlichkeit. Indem im Schatten ein vergleichsweise klar definierbares physikalisches Phänomen mit kulturellem Sinn ausgestattet wird, aus dem sich in vielen Fällen auch konkrete Handlungsanweisungen ableiten lassen, überwindet er die Grenze zwischen den ontologischen Feldern Naturalität, Sozialität und Diskursivität und erlaubt die Generierung von Bedeutung jenseits ihrer Gebundenheit an ein intentionales Subjekt.

Die Vielfalt des Phänomens und seiner Medialisierungen erfordert eine multidisziplinäre Herangehensweise, die ethnologische, historische, wissenschaftsgeschichtliche, kunsthistorische und literaturwissenschaftliche Fragestellungen und Methoden mit medienwissenschaftlichen und semiotischen Konzepten verbindet.

Publikationen

  • Reinhardt, Thomas, "Der dunkle Doppelgänger: Medialisierungen des Schattens und die Lesbarkeit der Welt", in: Ludwig Jäger, Gisela Fehrmann & Meike Adam (Hg.), "Medienbewegungen: Praktiken der Bezugnahme." (im Druck)
  • "Der rechte Fuß des Marabut: Aura des Heiligen und Authentizität der Simulakra", in: Volker Gottowik, Holger Jebens & Editha Platte (Hg.), "Zwischen Aneignung und Verfremdung: Ethnologische Gratwanderungen". Frankfurt & New York : Campus 2009, S. 565-583.
  • "Medialisierungen des Schattens", in: "Transkriptionen" 10, 2008, S. 133-135.
  • "Das Manifeste und das Verborgene: Zum Photo des senegalesischen Heiligen Cheikh Ahmadou Bamba", in: "Journal Ethnologie" 3/2008